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Kurz vor dem Start in ihren Sommerurlaub letzte Woche hat Bundeskanzlerin Merkel den Ton der Asyl- und Migrationsdiskussion der letzten Wochen in der Union als „schroff“ bezeichnet. Für merkelsche Verhältnisse geradezu bedeutungsschwer im Sprachgebrauch. Der Ton der letzten Wochen war mehr als das. Die politische Diskussion ist den Verantwortlichen – und allen voran den CSU-Granden aus Bayern – eindeutig entglitten. Ein Innenminister Seehofer, der sich an seinem 69. Geburtstag belustigt über die zufällig an diesem Tag nach Afghanistan abgeschobenen Flüchtlinge freut, ist nicht würdig, dieses Land und seine Menschen in verantwortungsvoller Weise zu vertreten. Es scheint, als wäre Trump Seehofers heimliches Idol, dem es nachzueifern gelte.

Was wir gerade erleben, ist einerseits ein engeres Zusammenwachsen in einer immer stärker verbundenen Welt und andererseits eine gleichzeitig immer stärkere Entfremdung. Der digitale Fortschritt führt oftmals eben gerade nicht zum besseren Verständnis des jeweils anderen, sondern forciert durch intelligent programmierte Algorithmen sogar noch die Polarisierung. Nutzer bekommen genau den Inhalt angezeigt, der ihr bisheriges Weltbild bestätigt. In- und Out-Group rücken so zwar durch das technische Potential ein Stück näher zusammen, entfremden sich aber stärker in Moralvorstellung und Handlung. Die krassesten Auswüchse dieses Phänomens sind aber nicht nur im digitalen Raum zu beobachten. Auch offline polarisiert sich unsere Gesellschaft und radikalisiert sich der Diskurs in unangebrachter Art und Weise.

Jüngstes Beispiel dieser immer weitreichenderen Eskalation war eine Demonstration von Pegida in Dresden, bei der etliche Teilnehmer und Teilnehmerinnen lauthals „Absaufen!“ „Absaufen!“ (hier im Video) skandierten. Wer ein solches Gebaren an den Tag legt, will nicht gegen eine Änderung in der aktuellen Asylpolitik demonstrieren, sondern zeigt in verachtenswerter Art und Weise, wie gesellschaftsfähig purer Hass gegenüber anderen Menschen mittlerweile geworden ist.

Die Irish Times beschrieb das Phänomen vor wenigen Wochen als „Trial Runs for Facisim“. Durch ständiges Operieren an der Grenze des moralisch Verwerflichen, werden diese Grenzen immer weiter verschoben. In einem Spiel aus Aktion und einer allfälligen Reaktion, falls die Proteste gegen die ursprüngliche Aktion als zu stark erscheinen, schaffen es rechte Akteure, das Moralbewusstsein einer ganzen Gesellschaft langsam aber stetig zu unterminieren. Faschismus braucht keine Mehrheit, um sich durchzusetzen – eine fanatisch überzeugte Minderheit ist genug. Beispiele dieser erschreckenden Entwicklung sind vielfältig: Sei es Trumps Entscheidung, mexikanische Einwandererfamilien an der Grenze zu trennen, die Diffamierung von Überlebenden des Schulmassakers von Parkland als Schauspieler oder die radikalen Forderungen aus den Reihen der AfD, die dann erst unter größtem Druck wieder relativiert werden. Wir können von Glück reden, dass die AfD bei uns auf Bundesebene noch nicht die Macht übernommen hat. In anderen Ländern Europas sitzen nationalistische Akteure bereits fest im Sattel.

In dieser Kladde habe ich bereits im Dezember 2014 von „besorgten“ Bürgern geschrieben, die an den Elbufern Dresdens spazieren. Damals wurde die Gruppierung noch von einigen Politikern verharmlost und es wurde versucht, mit Appeasement die Situation zu kontrollieren. Die neuesten rechtsradikalen und menschenverachtenden Auswüchse zeigen einmal mehr, dass dies der falsche Weg ist. Hier hilft kein Dialog, kein Angebot der politischen Integration. In einem solchen Fall müssen sich eine Demokratie und eine Gesellschaft wehrhaft zeigen. Das bedeutet aber, dass wir alle jeden Tag dafür kämpfen müssen, unsere tolerante und offene Gesellschaft zu erhalten und zu bewahren. Wir werden es aber nicht alleine schaffen! Dies wird ultimativ nur gemeinsam mit unseren Partnern überall in Europa gelingen. Es braucht daher weiterhin starke Zeichen europäischer Integration.

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