Ein Desaster – Versuch einer Einordnung
Die AfD vor der SPD. Das sitzt. Nach der neuesten Umfrage des ARD Deutschlandtrends käme die AfD bei einer Bundestagswahl am Sonntag auf 18 % – die SPD hingegen nur noch auf 17 %. Das ist eine Zäsur im politischen Meinungsgebilde unseres Landes. Eine offen rechtspopulistische und in Teilen rechtsradikale Partei als zweitstärkste Kraft gab es seit der Reichstagswahl 1930 nicht mehr. Wir können froh sein, dass am Sonntag keine Wahlen sind. Allzu oft ist es der AfD gelungen, im Ergebnis die schon düstere Prognose noch zu übertreffen. Das neuerliche Erstarken der AfD hat eine zentrale Ursache in der Schwäche der aktuellen Regierung. Diese hat durch ständige interne Querelen und den neuerlichen Streit der vergangenen Woche die Wählerinnen und Wähler in die Arme der AfD getrieben.
Wenn nun über 290 Kulturschaffende Seehofers Rücktritt fordern, treffen sie damit sicherlich einen wichtigen Punkt. Dieser Mann beschädigt die Glaubwürdigkeit in unsere Demokratie – in die zentrale Annahme, dass eine Regierung gemeinsam zum Wohl aller arbeitet und nicht für die Profilierung Einzelner. Ihm alleine die Schuld an der desolaten Lage der aktuellen Bundesregierung zu geben, ist dennoch falsch. Zu lange haben es Andrea Nahles und vor allem Angela Merkel versäumt, Seehofer in die Schranken zu weisen. So hatte der bayerische Furor praktisch Narrenfreiheit in der Koalition und konnte seine politischen Macht- und Egospielchen auf dem Rücken unserer Demokratie austragen.
Natürlich muss weiterhin über die Causa Maaßen gesprochen werden. Eine Beförderung nach Vertrauensentzug ist schlicht nicht vermittelbar. Allerdings hätte es dazu gar nicht kommen dürfen. Nach den jüngsten Umfrageergebnissen herrscht in der SPD die blanke Panik. Zu der Erkenntnis, dass eine Versetzung Maaßens ins Innenministerium in der Bevölkerung untragbar ist, hätte Nahles bereits letzte Woche kommen müssen. Die peinliche Bitte um ein neuerliches Gespräch wäre somit hinfällig gewesen. Nahles hat es versäumt, sich und die SPD klar zu positionieren und trägt so ihren Anteil an der jetzigen Situation.
Wenn jetzt am Wochenende Merkel, Nahles und Seehofer erneut zusammenkommen, um final über den Fall Maaßen zu beraten, dann liegt das Schicksal dieser Regierung ein weiteres Mal in der Hand von Seehofer. Zu verlieren hat er nichts mehr. Unwahrscheinlich, dass die Bundeskanzlerin nur Wochen vor der Bayernwahl einen Bruch der Koalition riskiert. Aber selbst dann könnte Seehofer mit erhobenem Haupt nach Bayern zurückkehren. Ob man ihn dort aber noch länger will, steht allerdings auf einem anderen Blatt. Sollten sich die düsteren Umfrageprognosen für die CSU am 14. Oktober bewahrheiten, wird ein Parteivorsitzender Seehofer nicht mehr länger zu halten sein. Es wäre ein Gewinn für unser Land!