Putins Russland, die Krim und der Westen
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Es geht also voran in der Sanktionsspirale. Erst Obama und seine Amerikaner heute Mittag, als Antwort direkt Putin und heute Abend also die EU. Dass es in diesem Tempo und in dieser Intensität weitergeht ist sicherlich im Interesse keines Beteiligten. Aber was soll der Westen denn tun? Putin einfach gewähren lassen?
Herausforderung und Chance für die EU
Von den Konflikten im ehemaligen Jugoslawien einmal abgesehen, befindet sich die EU in der wichtigsten Bewährungsprobe seit Ende des Kalten Krieges – man könnte es auch Feuertaufe nennen. Egal wie sich die EU und ihre Vertreter in den kommenden Tagen und Wochen verhalten werden, eines is klar: Wenn die EU mit ihrer Politik international gehört werden möchte und darüber hinaus auch noch erfolgreich sein will, muss sie mit einer Stimme sprechen. Der Kanon der Vielstimmigkeit ist in Zeiten solch ernsthafter Krisen sicherlich nur hinter der Bühne aber nicht auf ihr anzustimmen. Wie gesagt eine echte Feuertaufe für die EU. Wird sie es schaffen eine gemeinsame und konsequente Linie zu finden? Wird sich die Minderheit der Mehrheit beugen, ohne öffentlich einen etwaigen Kompromiss zu untergraben? Das alles wird sich zeigen. Eines aber steht fest. Putin wird wenn überhaupt nur auf eine geschlossen auftretende und handelnde EU reagieren. Man könnte es auch anders formulieren: Das größte Geschenk an Putin in der jetzigen Situation wäre eine gespaltene und zerstrittene EU – genau das ist es, was Putin möchte.
Kein Ende in Sicht
Aber was will Putin eigentlich? Geht es tatsächlich um die Krim, um die Russen und russisch Sprechenden in der Ukraine im Allgemeinen? Oder möchte Putin mehr? Sich gegen die Kränkungen und gebrochenen Versprechen des Westens in den letzten zwei Jahrzehnten wehren? Einen Gegenentwurf zur EU aufbauen? Oder doch nur ganz profan seine eigene Position in Zeiten wirtschaftlicher Not daheim stärken? Wir wissen es nicht und werden es auch nie erfahren. Die Kunst liegt daher darin auf möglichst viele Optionen und Eventualitäten die richtigen Antworten parat zu haben. Stärke zeigen – aber gleichzeitig den Dialog halten ist wohl das Gebot der Stunde. Ob es erfolgreich sein wird muss sich erst noch zeigen. Eine „Rückeroberung“ der Krim ist derzeit ausgeschlossen, zu groß die Risiken – zu schwach die Ukraine. Aber Putin muss klar gemacht werden, dass es so nicht weitergeht. Wir leben nicht mehr in Zeiten in denen man sich als Staat am Land eines anderen Staates bedienen konnte ohne dafür zu Rechenschaft gezogen zu werden. Hier muss die EU eine klare Linie ziehen. Ob das Putin abhält wird man sehen.
Am Ende hilft nur Reden
Auch wenn von Clausewitz meinte der Krieg sei nur die Fortschreibung der Politik mit anderen Mitteln so will auf diese Weise in Europa heute keiner mehr Politik machen – auch Russland nicht. Daher wird am Ende nur der Dialog Erfolg haben können. Diesen wird es brauchen, wenn wir die Krise tatsächlich lösen möchten. Aber hier zeigt sich auch wieder das Dilemma des Westens – Russland wird aus der G8 „ausgeschlossen“ wo man doch gerade ein solches Forum gut brauchen könnte. Vielleicht hilft am Ende nur der harte wirtschaftliche Dialog. Russland braucht die EU mehr als die EU Russland braucht. Natürlich schadet man sich mit Sanktionen auch immer selbst, aber wenn es am Ende hilft alle Beteiligten wieder an einen Tisch zu bekommen, können Sanktionen auch ein sehr probates Mittel sein.
Wie Sie richtig beschreiben, kann letztlich nur der Dialog zu einem adäquaten Ausgang der sich zuspitzenden Problematik führen. Ein Dialog erfordert aber eine Kommunikation auf Augenhöhe und eine vorurteilsfreie Bewertung der Botschaft durch die Kommunikationspartner. Dies ist unter normalen Umständen schon schwierig genug, und m.E. in dieser Angelegenheit in keinster Weise gegeben. Dies hat verschiedene Gründe.
Betrachtet man zum einen die Rhetorik, so fällt auf, dass hier eine Kulisse aufgebaut wird, in der sich „der Westen“ in Konflikt mit „Putins Russland“ befindet. Dies ist nicht nur in obigem Artikel der Fall, sondern auch häufig in einschlägigen Tageszeitungen und Nachrichtenportalen zu beobachten. Damit wird eine Legitimations-Asymmetrie erzeugt, mit der Intention, die Position des nicht-westlichen, ergo nicht-demokratischen, Opponenten a priori zu delegitimieren. Eine wie auch immer geartete Position eines autokratischen „Herrschers“ kann nicht korrekt oder verständlich sein, wenn ihm eine demokratische („der Westen“) Mehrheit gegenübersteht. Hinzukommt das subtile Statement, dass hier einer gegen viele steht. Eine Mehrheit wird sich ja wohl kaum irren können, oder?
Neben dieser semantischen Einflussnahme unterliegen zum anderen viele Autoren und Berichterstatter dem fundamentalen Fehler der Attribution. Dabei geht es darum, dass außenstehende Beobachter eines Konflikts dazu neigen, die Ursache für die Handlung der Beobachteten (oder des Beobachteten) auf interne, stabile Dispositionen zu attribuieren. Die Handelnde hingegen sehen die Ursachen für ihre Handlungen viel mehr in den spezifischen situativen Umständen. Wie lässt sich dies nun auf die Krim-Krise beziehen? Ein gängiges Argumentations- bzw. Zuschreibungsmuster für die Kontrollübernahme auf der Krim durch Putin, zielt auf das Verlangen Putins ab, die alte Sowjetrepublik neu zu errichten. Alternativ werden auch gerne Putins Wille zur Macht oder sonstige imperialistischen Motive aufgeführt. Genauso gut könnte man hingegen argumentieren, dass Putins Lage ihn zu diesen Handlungen zwingt. Entgegen aller Versprechungen durch die NATO, nach dem Fall der UdSSR, ihren Einflussbereich nicht weiter in den Osten auszudehen, ist genau dies geschehen. Zudem wird direkt in Russlands Vorgarten eine quasi-faschiste, nicht legitimierte „Regierung“ an die Macht geputscht. Vermutlich würden die NATO-Staaten in einer solchen Situation nicht anders reagieren und auf die besondere Situation als Ursache für ihr Verhalten verweisen, und nicht etwa auf eigenes Machtkalkül oder Expansionsintentionen.
Die nötigen Voraussetzungen für einen gelungen Dialog werden unter diesen Voraussetzungen nicht leicht zu schaffen sein. Es sollte die Aufgabe aller Medien sein, umfassend zu informieren und sich für eine friedliche Lösung einzusetzen. Nicht jedoch einseitig Stellung zu beziehen und damit weiteren Eskalationsstufen Vorschub zu leisten.
Vielen Dank für den Kommentar. Sie haben mit Ihrer Aussage, dass ein Dialog auf Augenhöhe von Nöten ist um eine langfristige Lösung des zu erzielen absolut recht. Einen gegenteiligen Eindruck wollte ich in keiner Weise vermitteln. Allerdings wissen Sie sicherlich auch, dass es in der Außenpolitik immer ein „auf der Bühne“ und ein „hinter der Bühne“ gibt. Welche der beiden oftmals die entscheidendere Arena ist, konnten wir nicht zuletzt in Kissingers Zeiten erfahren. Ein Dialog auf Augenhöhe „hinter der Bühne“ ist in meinen Augen durchaus gegeben. Zu eng sind die wirtschaftlichen und politischen Verflechtungen als dass von einer gegenteiligen Situation ausgegangen werden kann.
Auch rechtfertigt ein Fehlverhalten nicht das Nächste. Genauso wenig kann ein Völkerrechtsbruch als Alibi für das nächste Umgehen genutzt werden. Das NATO-Argument sticht daher nur bedingt. Ja, es ist richtig, dass damit Vereinbarungen gebrochen wurden. Die Länder haben sich aber freiwillig zu einem Anschluss an das NATO-Bündnis entschlossen. Die Annexion der Krim war, wenn überhaupt, nur Wille der dortigen Bevölkerung, sicherlich aber nicht der allgemeinen ukrainischen. In meinen Augen kann der Konflikt nur durch den diplomatischen Dialog entschärft werden. Was dabei „auf der Bühne“ passiert ist nicht unbedingt das Entscheidende. Die wichtigen Lösungen werden immer noch im Hinterzimmer getroffen.