(Links der wallonische Präsident Paul Magnette und rechts der Präsident des europäischen Parlaments Martin Schulz)

Nein, die EU ist derzeit wahrlich nicht in ihrer besten Verfassung. Man könnte auch anders formulieren: Selten stand es schlechter um das alte Kohle- und Stahlregelwerk, das sich in den vergangenen Jahrzehnten zu unserem Anker für Stabilität und Prosperität auf dem alten Kontinent entwickelt hat. Die Idee einer Union für Frieden und Sicherheit scheint nur noch wenig zu bedeuten in Zeiten, in denen Themen wie Brexit und „Flüchtlingskrise“ die Agenden bestimmen.

Dass die EU aber auch in ihrer eigentlichen Kernkompetenz – dem Freihandel – versagt, setzt dem Ganzen die bittere Krone auf. Gegründet auf der Idee eines gemeinsamen Marktes mit gemeinsamen Regeln für alle, ist die EU nicht fähig, diese Idee auch international mit neuen Partnern umzusetzen. Erstaunlich ist hierbei, neben der gefühlten Ablehnung in Teilen der Bevölkerung, vor allem die Handlungsunfähigkeit der Union. Demokratie bedeutet nicht, es allen recht zu machen. Demokratie bedeutet nicht, sich immer durchzusetzen. Demokratie bedeutet auch nicht, das Recht eines Partners, alle anderen in symbolische Sippenhaft zu nehmen, um eigene Ziele durchzusetzen. Genau das aber macht Belgien – oder besser, die Wallonie – gerade. Wie Belgien seine eigene Demokratie organisiert, soll hier nicht Thema sein. Dass eine Region mit 0,7% der Einwohner der EU ein fertig verhandeltes Abkommen blockieren kann, schon eher.

Gemeinsames Handeln kann nur funktionieren, wenn auch innerhalb der Union die Grundgedanken des demokratischen Miteinanders gelebt werden. Dazu gehört auch eine Entscheidung mitzutragen, die nicht unbedingt den eigenen Interessen entspricht, aber im Kollektiv vereinbart wurde. Nur so ist es für die EU möglich, auch international als starker und verlässlicher Partner wahrgenommen zu werden. Im Rahmen der Verhandlungen über das Klimaabkommen in Paris hat die EU bewiesen, dass sie dazu in der Lage sein kann. In den Verhandlungen mit Kanada zeigt sie, dass es noch ein weiter Weg sein wird, bis die EU auch international mit einer Stimme spricht und interne Konflikte auch intern austrägt. Die momentane Situation offenbart einen grundsätzlichen „Geburtsfehler“ der EU: Das großzügig angelegte Vetorecht der einzelnen Mitgliedsstaaten.

Ein letztes Wort noch zu der gefühlten Skepsis, die sich in Teilen der Bevölkerung breitgemacht hat: Innerhalb der größten Freihandelszone der Welt zu leben und ganz grundsätzlich gegen Freihandel zu sein, entbehrt einer gewissen Logik. Nicht trotz, sondern wegen des gemeinsamen Marktes haben wir heute so hohe Standards und nicht trotz, sondern wegen der Freizügigkeiten der EU geht es uns heute in Europa besser denn je. Wer dies verleugnet, verweigert nicht nur sich, sondern vor allem den nachfolgenden Generationen die gleichen Möglichkeiten auf Entwicklung und Wohlstand. Noch haben wir die Chance auf einem pluralistischen Planeten die Regeln (mit)zugestalten. Wenn sich die EU weiterhin so präsentiert wie aktuell, wird es nicht gelingen.

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