Perfekt ist gerade gut genug – der Fall Tesla

Der 7. Mai war ein schöner Tag in Williston, Florida. Hier im Hinterland der Golfküste fuhr Joshua Brown mit seinem schwarzen Tesla Model S den Highway 27 Richtung Osten. Oder besser gesagt: Er ließ fahren. Sein Tesla war im sogenannten Autopilot-Modus unterwegs. Einer Funktion, die Tesla vergangenen Oktober eingeführt hat und die dem Fahrer im täglichen Verkehr das Leben erleichtern soll. Deutsche Hersteller nennen so etwas weniger pathetisch Fahrassistenzsysteme. Die gibt es zum Spurwechseln, Überholen, Einparken, Abstand halten und wenn alle dahinterliegenden Technologien perfekt miteinander harmonieren, dann fährt das Auto autonom.

Im Mai hat sich gezeigt, dass sie das aber noch nicht tun. Als vor Brown ein weißer Sattelschlepper den Weg kreuzte, erkannten die Sensoren seines Tesla – so jedenfalls die ersten Ergebnisse der Untersuchung – ein Verkehrsschild und keinen tonnenschweren Semi-Truck. Ein fataler Irrtum: Der Wagen fuhr ungebremst in den Auflieger und kam erst auf einer Wiese mit abrasiertem Dach zum Stillstand. Für Brown kam jede Hilfe zu spät.

Wohl kein Autounfall der letzten Jahre, bei dem nicht ein Prominenter involviert war, hat ein solches Medienecho generiert. Der Unfall war der erste tödliche, bei dem ein vollautonom fahrendes Auto beteiligt war – unabhängig von der Schuldfrage, die im weiteren Verlauf der Ermittlungen zu klären sein wird. Nach Bekanntgabe des Unfalls Ende Juni durch Tesla stürzten sich die Medien auf den Vorfall – Tenor vieler Berichte dabei: „wir haben es ja schon immer gesagt, das ist nicht sicher“. Diese Haltung zieht sich auch durch weite Teile der deutschen Medienlandschaft. Ob FAZ oder SPIEGEL, der in seiner neuesten Ausgabe von „menschlichen Versuchskaninchen“ schreibt – viele profilieren sich nun als Mahner und sähen es wohl am liebsten, wenn alle Tesla direkt stillgelegt würden. Daran, dass es bei jeder neuen Innovation auch Rückschläge gibt, denken die wenigsten. Natürlich ist in einer solchen Situation der Verlust von Menschenleben besonders tragisch. Allerdings weiß der Fahrer eines Tesla aber auch, dass die Autopilot-Funktion nicht das Schlafen oder Film schauen rechtfertigt. Wenn man es wie Brown dennoch tut, stellt sich zumindest die Frage der Mitverantwortung.

Woher kommt der Anspruch, dass jede Technologie bei Markteinführung nicht nur besser als die alte sein soll, sondern perfekt funktionieren muss? Der Unfall von Brown war der erste tödliche, der bei eingeschaltetem Autopilot geschah. Nachdem alle Teslas zusammen mehr Kilometer im Autopiloten abspulten ohne einen tödlichen Unfall zu verursachen, als es der Mensch im Durchschnitt schafft. Das heißt im Umkehrschluss auch: Das System ist schon heute sicherer als der menschliche Fahrer. Keine neue Technologie der Vergangenheit hat bei ihrer Einführung schon perfekt funktioniert – warum erwarten wir es dann vom autonomen Fahren?

Natürlich darf eine Technologie nicht leichtfertig eingeführt werden. Die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer muss im Vordergrund stehen. Um aber das Ziel eines unfallfreien Automobilverkehrs umzusetzen, muss man aber auch eines: handeln. Alleine vom testen und nochmaligen testen in abgeschlossenen Versuchsanordnungen kann kein System die perfekte Praxisreife erlangen. Tesla generiert mit jedem Kilometer, die eines der über 70.000 Fahrzeuge fährt, wertvolle Daten, die neuen und wichtigen Input zur Verbesserung der Systeme liefern. Der erste tödliche Autounfall geschah übrigens am 17. August 1896 in London. Eine Zeit, in der das Automobil den Menschen noch wesentlicher ferner war, als uns das autonome Fahren. Die Diskussion, das Automobil deshalb zu verbieten, gab es aber nicht. Es wäre daher fatal, wenn wir die Möglichkeiten, die uns die Technologie bietet, verdrängen und am vermeintlich Besseren kleben blieben. Dann fahren uns andere tatsächlich davon.

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