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Das Jahr ist erst ein paar Wochen alt und bisher dennoch ereignisreicher, als wir uns das gewünscht hätten. Vor allem die barbarischen Anschläge in Paris haben nachhaltig erschüttert und werden, sichtbar oder nicht, enormen Einfluss auf die kommenden sicherheitspolitischen Weichenstellungen in Europa haben. Die Attentäter haben es auf schändlichste Weise vermocht, die gesamte westliche Welt und insbesondere Europa für einen Moment aus dem Takt zu bringen. Es ist daher wichtig, auch wenn sich die Nachrichtenlage in unserer schnelllebigen Welt täglich ändert, die unfassbaren Ereignisse von Paris und auch die Reaktionen darauf aufzuarbeiten – nur so kann Diskurs entstehen. Zu präzise war das Vorgehen, zu exakt die Planung, zu überlegt das Ziel, als dass wir nach den gebührenden Tagen der Trauer wieder die Alltagsnormalität Einzug halten lassen. Diese Ereignisse haben nicht nur die Grande Nation ins Mark getroffen. Anders als in Madrid oder London, den anderen beiden großen Anschlägen islamistischer Terroristen auf dem Boden der EU der vergangenen Jahre, wurden die Ziele der Attentäter in Paris noch rationaler und mit einer noch perfideren Logik gewählt.

Zentral war in der Reaktion der Ausspruch Je suis Charlie – als spontane Solidaritätsbekundung initiiert, hat der Slogan binnen kurzer Zeit beinahe den gesamten Erdball erfasst. Allerdings nicht nur in der ursprünglich gefassten Form, wie die vielen Proteste, vor allem nach Erscheinen der ersten Charlie-Hebdo-Ausgabe nach den Anschlägen gezeigt haben. Je suis Charlie steht neben dem wichtigen Element der Solidarität vor allem für die Verteidigung unserer zentralen Werte. Daher ist es vollkommen unerheblich, ob man das Satiremagazin Charlie Hebdo oder Satire im Allgemeinen liest, verabscheut, liebt oder gar verurteilt. Jeder, der für die freie Meinung, für die freie Presse und für die Freiheit der Religion ist, darf und muss Charlie sein – auch wenn er die konkrete Machart der Satire ablehnt. „Ich verachte Ihre Meinung, aber ich gäbe mein Leben dafür, dass Sie sie sagen dürfen.“ Dieses Voltaire zugeschriebene Zitat verdeutlicht in prägnanter Weise den Kern von Je suis Charlie. Es gibt sicherlich gute Gründe, die Mohammed-Karikaturen nicht weiter zu verbreiten oder abzulehnen – Dean Baquet, Chefredakteur der New York Times, nennt im SPIEGEL vom 24. Januar sicherlich einige relevante (Auszüge gibt es hier). Das darf aber nicht bedeuten, dass wir das generelle Recht auf eine freie und unabhängige Presse und auf die Freiheit zur Meinungsäußerung nicht mit allem, was wir haben, verteidigen – im Zweifel sind sie unsere einzige Versicherung gegen Zensur und Beschränkung. Deshalb müssen wir alle Charlie sein. Wir alle tragen die Verantwortung, diese Rechte zu schützen und zu bewahren. Es wäre verheerend, nun in einem Anflug emotionaler Irrationalität die Mauern, die uns in der Vergangenheit nur allzu oft getrennt haben, wieder zu errichten. Es kann nur einen Weg, nur ein Mantra für das junge 21. Jahrhundert geben und das lautet, man vermag es nicht oft genug zu betonen: Integration statt Ausgrenzung, Toleranz statt Stigmatisierung und zusammen statt gegeneinander. Aus gegebenem Anlass, dem Tode des Altbundespräsidenten Richard von Weizsäcker, zum Abschluss ein Zitat, welches aus seiner berühmten Rede anlässlich des 40jährigen Kriegsendes am 8. Mai 1985 stammt, aber nichts an Aktualität verloren hat: „Die Bitte an die jungen Menschen lautet: Lassen Sie sich nicht hineintreiben in Feindschaft und Hass gegen andere Menschen, gegen Russen oder Amerikaner, gegen Juden oder Türken, gegen Alternative oder Konservative, gegen Schwarz oder Weiß. Lernen Sie, miteinander zu leben, nicht gegeneinander.“ Danach müssen wir uns richten und daran müssen wir uns messen lassen.

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